Auch bei einem alleinigen Gesellschafter-Geschäftsführer kann nicht unterstellt werden, dass er einen Firmenwagen auch privat nutzt bzw. gegen ein Nutzungsverbot verstößt

BFH, Urteil vom 8.8.2013, Az. VI R 71/12

Umfang gesamter Artikel:
Wörter: 511

Gliederung der Urteilsbesprechnung in:
Der Fall  Das Urteil – Konsequenzen

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Der Fall:
A ist alleiniger Gesellschafter-Geschäftsführer der X-GmbH. Laut Anstellungsvertrag hatte die X-GmbH dem A ein Firmenfahrzeug zur geschäftlichen und privaten Nutzung zur Verfügung gestellt. Allerdings war in einer Gesellschafterversammlung beschlossen worden, dass der Firmenwagen dem A nur für Geschäftsfahrten zur Verfügung stünde und eine Privatnutzung der vorherigen Abstimmung mit der X-GmbH bedürfe.

Zum Nachweis der ausschließlichen betrieblichen Nutzung des Kfz hatte A ein digitales Fahrtenbuch geführt, das er in Form loser Blätter ausgedruckt hatte. Später hatte er ein nachträglich erstelltes Fahrtenbuch in Papierform vorgelegt, das aber im Rahmen einer Lohnsteueraußenprüfung bei der X-GmbH vom Prüfer nicht als ordnungsgemäß anerkannt wurde.

Das Finanzamt erhöhte entsprechend das Gehalt des A und erließ geänderte Einkommensteuerbescheide. Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage wies das FG als unbegründet zurück.

Das Urteil:
Der  BFH gab der Revision des A statt und verwies die Sache an das FG zurück.

Überlässt der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer unentgeltlich oder verbilligt einen Dienstwagen auch zur privaten Nutzung, führt dies zu einem als Lohnzufluss nach § 19 Abs. 1, Satz 1 Nr. 1 EStG zu erfassenden steuerbaren Nutzungsvorteil des Arbeitnehmers. Der Arbeitnehmer ist um den Betrag bereichert, den er für eine vergleichbare Nutzung aufwenden müsste und den er sich durch die Überlassung des Fahrzeugs erspart.

Allerdings begründet § 8 Abs. 2, Satz 2 EStG ebenso wenig wie § 6 Abs. 1 Nr. 4, S. 2 EStG originär einen steuerbaren Tatbestand. Die Vorschriften regeln vielmehr nur die Bewertung eines Vorteils, der dem Grunde nach feststehen muss. Deshalb setzt die Anwendung der 1%-Regelung voraus, dass der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer tatsächlich einen Dienstwagen zur Privatnutzung überlassen hat. Der Ansatz eines lohnsteuerrechtlichen Vorteils rechtfertigt sich nur insoweit, als der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer gestattet, den Dienstwagen privat zu nutzen. Die unbefugte Privatnutzung des Geschäftswagens hat dagegen keinen Lohncharakter. Ein Vorteil, den sich der Arbeitnehmer  gegen den Willen des Arbeitgebers selbst zuteilt, zählt damit nicht zum steuerpflichtigen Arbeitslohn (vgl. BFH, Urteil vom 21.3.2013, Az. VI R 31/10, BStBl II 2013, S. 700; Urteil vom 18.4.2013, Az. VI R 23/12, BFHE 241, S. 276).

Steht nicht fest, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen Dienstwagen zur Privatnutzung überlassen hat, kann auch der Beweis des ersten Anscheins diese fehlende Feststellung nicht ersetzen.

Im Streitfall hat sich das FG nicht mit der erforderlichen Gewissheit davon überzeugt, dass dem A der Geschäftswagen auch zur betrieblichen Nutzung überlassen wurde. Es hat den betreffenden Gesellschafterbeschluss nicht dahingehend gewürdigt, ob ihm ein Privatnutzungsverbot zu entnehmen ist und dies auch umgesetzt wurde.

Konsequenzen:
Nach der allgemeinen Lebenserfahrung ist zwar typischerweise davon auszugehen, dass ein Arbeitnehmer einen auch zur Privatnutzung überlassenen Dienstwagen auch tatsächlich privat nutzt. Weiter reicht dieser allgemeine Erfahrungssatz aber nicht. Es spricht weder dafür, dass dem Arbeitnehmer überhaupt ein Dienstwagen aus dem Fuhrpark des Arbeitgebers für private Zwecke zur Verfügung steht, noch dafür, dass er einen solchen unbefugt oder gar verbotswidrig privat nutzt. Dies gilt selbst dann, wenn der Arbeitgeber ein arbeitsvertraglich vereinbartes Privatnutzungsverbot nicht überwacht.